Der Abschluss unseres Rooted-Kurses, der in 10 Lerneinheiten von Januar bis März stattfand, sah einen praktischen diakonischen Einsatz im Sinne der christlichen Nächstenliebe vor.
Es galt, einen deutlichen Unterschied zu den Menschen zu machen, die Jesus nicht kennen. Aus mehreren vorgeschlagenen Möglichkeiten wählten wir eine Hilfsaktion im Ahrtal aus, nicht zuletzt auch deshalb, weil Hilfe im ehemaligen Flutgebiet noch immer dringend nötig ist, auch wenn sich die öffentliche Aufmerksamkeit längst schon auf andere Themen konzentriert hat.
Manuel nahm im Vorfeld Kontakt zur FeG in Rheinbach auf, um unsere Gruppe als Tageshelfer anzumelden. Die FeG Rheinbach war selbst von der Flutkatastrophe betroffen, mittlerweile ist sie Standort des Vereins „Hoffnungswerk“, der die Hilfseinsätze koordiniert.
So machten wir uns am Samstag, den 2.4.22 auf den Weg ins Ahrtal, um dort einen Tag lang Kaffee und Kuchen zu verteilen und mit den betroffenen Menschen gute Gespräche zu führen bzw. auch ganz einfach nur „zuzuhören“, denn viele Betroffene haben ein sehr großes Mitteilungsbedürfnis.
Rüdiger und Ulrike haben als Ergänzung eine größere Menge Blumensträuße gekauft, die wir ebenfalls mit verteilt haben.
Beate und ich haben mehrere Menschen mit unterschiedlichen Bezügen zur Flutkatastrophe kennengelernt.
Da war ein älterer, gläubiger Herr, der kurz vor der Flut eine Krebsdiagnose bekam und dreimal in der Versuchung stand, Suizid zu begehen. In dieser doppelten Not ist ihm Jesus neu begegnet, und er durfte durch praktische Hilfe, die ihm zuteilwurde, seine Liebe spürbar erleben.
Voller Freude und Stolz lud er uns in sein Haus ein und zeigte uns den Fortschritt der
Renovierungsarbeiten. Er berichtete von einigen freudigen Erlebnissen, so zum Beispiel von dem Obdachlosen, der mit seinem Wohnmobil unterwegs war und plötzlich an seiner Haustür stand und sich anbot, sein Treppenhaus zu verputzen.
Bei einem Gang durch das Haus fiel uns auf, dass noch kein einziges Möbelstück
in den Zimmern stand, aber zwei Kreuze an der Wand hingen, so als ob ihm dies ganz besonders wichtig war. Zum Schluss unseres Aufenthaltes bei ihm spielte er noch den Choral „Großer Gott, wir loben Dich“ auf der Mundharmonika. Als wir gingen bemerkten wir, dass er uns eigentlich schon dreimal verabschiedet hatte und
jedes Mal wieder neu ins Haus bat, weil ihm noch etwas anderes einfiel, das er uns berichten wollte. Als wir dann letztendlich gingen, segnete er uns zum Abschied.
Dieser Mann ist uns beiden definitiv zum Zeugnis geworden.
Anschließend haben wir eine Straße weiter seine Tochter und Schwiegersohn sowie seine Mutter kennengelernt. Die Mutter hatte bei der Flut alles verloren, auch ihr Häuschen muss abgerissen werden und sie hat sich dazu entschlossen, nicht nochmal von vorne anzufangen, sondern bei ihrem Sohn einzuziehen.
Im Laufe des Tages lernten wir weitere Menschen kennen. Manche waren sehr verschlossen, andere teilten uns stolz mit, dass sie sich mittlerweile selbst wieder Kaffee kochen können und unser Angebot, Kaffee und Kuchen entgegen zu nehmen, deshalb ausschlugen. Wieder andere sprachen von Wut und tiefer Verzweiflung, weil ein ganzer Ort von den Rettungskräften vergessen wurde und die Bewohner mehrere Tage auf den Dächern ausharren mussten. Als die Helfer schließlich eintrafen, wurden sie aus Verzweiflung mit Steinen beworfen. Uns wurde berichtet, dass viele Häuser im Nachhinein noch abgerissen werden müssen, da irreparable Schäden entdeckt wurden und viele Geschädigte trotz Versicherung noch auf Entschädigung warten.
Alle Menschen, denen wir begegnet waren, hatten aber etwas gemeinsam: Eine große Dankbarkeit darüber, dass es Menschen gibt, die sie nicht vergessen und sich bewusst Zeit für sie nehmen, was auch uns mit großer Freude erfüllte.
Was waren unsere Erfahrungen am Ende des Tages?
Eine tiefe Betroffenheit hat Beate und mich ergriffen über soviel Leid, das den Menschen im Ahrtal widerfahren ist. Hier ging es nicht nur um Bagatellschäden, wie eine Beule im Auto beim Rückwärtsparken oder ein Brandfleck im neuen Perserteppich – nein, hier ging es um elementare Not, die das Leben jedes Einzelnen nachhaltig verändert hat.
Wir haben gestaunt über so großen Glauben, der uns begegnet ist und in mir selbst die ehrliche Frage hat aufkommen lassen, ob ich in der gleichen Situation genauso an Gott festhalten könnte oder nicht einfach nur verzweifelt wäre….
Und wir waren erschrocken darüber, wie schnell man vor dem Nichts stehen kann und das Mühen und die Arbeit eines ganzen Lebens innerhalb von Sekunden vernichtet ist.
Ich war erinnert an das Wort Jesu, lieber Schätze im Himmel zu sammeln als auf der Erde, wo sie die Motten und der Rost fressen können – und in diesem Fall von den Wassermassen weggeschwemmt wurden….
Hubert Hübner